So sagte der dreijährige Jesse zum Bild, das er kurz vor seiner Erblindung gemalt hatte. Ohne es zu wissen, brachte er auf den Punkt, was mit seinem jungen Leben geschehen sollte: Trotz des Durcheinanders war da der unverrückbare Bund der Gnade, trotz Blindheit Farbe, Licht und Leben. Das Fingerfarbenbild des kranken Kindes erinnert uns an das Versprechen, dass Gott seine Kinder niemals verlässt, dass seine Gnade genügt und immer genügen wird. ethos im Gespräch mit den Eltern von Jesse, Becky und Timothy Keep.
Yvonne Schwengeler & Daniela Wagner
26. April 2018

Wie ein Blitz aus heiterem Himmel schlug die Nachricht ein: Euer erst wenigeWochen altes Baby Jesse leide im link en Auge an einem grossen, bösartigen Tumor. Was ging euch da durch den Kopf?

Becky und Tim: Wir waren absolut fassungslos! Mit so etwas hatten wir nicht im Entferntesten gerechnet. Ein Jahr zuvor hatten wir alles, was wir hatten, verkauft und waren als Missionare ans andere Ende der Welt gezogen. Wie konnte dies uns und unserem Sohn passieren? Fragen über Fragen türmten sich vor uns auf: «Gott, was wird mit Jesse geschehen? Was wird aus dem Dienst, zu dem du uns so klar berufen hast?»

Hattet ihr damals eine Vorahnung, wie diese Diagnose das «normale» Familienleben verändern würde?

Nein. Wir begriffen damals noch nicht wirklich, was das alles einmal im Leben unseres Sohnes nach sich ziehen würde. Über diese Art von Krebs wussten wir nichts, als wir die Diagnose erhielten. Die Ärzte klärten uns anfangs auf und meinten, dass die Behandlung etwa ein Jahr dauern würde. Nach ihrer Erfahrung konnte das Augenlicht in fast jedem Fall auf mindestens einem Auge erhalten werden.

Als aus einem Jahr Behandlung erst zwei, dann drei und schliesslich vier Jahre wurden, fühlten wir uns manchmal wie auf einer fürchterlichen, nie endenden Achterbahnfahrt.

Die Jahre verstrichen und die Behandlungen brachten nicht die gewünschten Ergebnisse. Da wurde uns klar, dass das Resultat für Jesse nicht so ausfallen würde, wie wir es uns erhofft und wofür wir gebetet hatten.

Während vier Jahren wart ihr «Stamm­kunden» im Kinderkrankenhaus. Es zeigten sich immer wieder neue Tumoren. Ein stetes Auf und Ab, ein Leben zwischen Hoffen und Bangen. Wie seid ihr mit diesen Gefühlen umgegangen? Habt ihr mit Gott gehadert? An seiner Güte gezweifelt?

Es wäre gelogen zu sagen, dass wir nie gezweifelt oder Angst gehabt hätten. Die langen Fahrten zum Krankenhaus, die scheinbar endlos langen Wartezeiten in Krankenhäusern, die Sorge, die Langweile, die Erschöpfung, die Ungewissheit – dies war alles sehr real. Wir lernten, unseren Unglauben und unser Versagen Gott und einander gegenüber zu bekennen. Diese Eingeständnisse kultivierten eine gesunde Beziehung mit Ihm und untereinander. Wir lernten, uns auf Christus zu stützen wie nie zuvor, unsere Lasten auf Ihn zu werfen und Ihm zu vertrauen. Durch seine Liebe schenkte er uns jeden Morgen die Gnade, aufzustehen und den nächsten Schritt zu gehen. Gott erwies uns seine Güte auf so vielfältige Weise. So wie wir täglich auf Ihn schauten, gab er uns Kraft – emotional, körperlich, geistlich, im Hinblick auf Beziehungen und finanziell. Es war die schwerste Zeit in unserem Leben, aber gleichzeitig eine Zeit, in der wir Gottes wohltuende Gegenwart erlebten wie nie zuvor.

Habt ihr um ein Wunder gebetet?

Ja. So wie Tausende andere Menschen, sowohl in den USA als auch auf den Philippinen. Wir wussten, dass Gott heilen kann, und fasteten und beteten daher regelmässig für ein Wunder. Einmal, gegen Ende einer Behandlung, fastete ich (Tim) sieben Tage lang. Ich wollte mein Denken und Wollen prüfen, um sicherzugehen, dass in meiner Seele kein Unglauben war, der Gottes heilender Berührung im Wege stand. Am sechsten Tag sprach Gott in meiner Stillen Zeit mit seinem Wort, der Bibel, zu meinem Herzen. Mit der Stimme eines liebenden Vaters sagte er mir, ich solle mich nicht länger mit der Frage nach Wundern und Heilung aufhalten. Ich solle vielmehr beten, dass der Herr geehrt würde, was immer auch sein Plan für Jesse sein würde (Joh. 11,4). An diesem Tag nahm Gott die Last von meinen Schultern und legte sie sich selbst auf. Von diesem Tag an war mein Geist frei. Und heute gereicht Ihm das zur Ehre. Seine Wege sind höher als unsere Wege!

Lesen Sie das ganze Interview in ethos 05/2018.