– lange unterschätzt, wie Untersuchungsergebnisse deutlich machen.
Gerrit Alberts
10. Januar 2018

Im 2. Weltkrieg starben 4,3 Mio. deutsche Soldaten, jeden Tag etwa 2100, fast sechs Jahre lang. Ein Viertel der Kinder der Kriegsjahrgänge wuchs ohne Vater auf. Eine Langzeitstudie, die sogenannte Mannheimer Kohortenstudie, kam zu dem Ergebnis, dass bei Menschen, die kriegsbedingt ohne Vater aufwuchsen, noch nach 50 Jahren ein 2,5-fach erhöhtes Risiko bestand, auf Dauer psychisch zu erkranken. Heute ist der Anteil der Kinder, die durch Alleinerziehende betreut werden, fast so hoch wie in der Nachkriegszeit. Sie liegt bei etwa 20 %, wobei neun von zehn Alleinerziehenden Frauen sind.


Ein hohes Amt

«Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat!», skandierten Gegendemonstranten anlässlich einer Veranstaltung von Lebensrechtsgruppen. Wenn man etwas Positives über diesen Spruch sagen will: Die zornigen Linksaktivisten haben erkannt, dass es einen Zusammenhang zwischen Gott, dem Staat und dem Patriarchat gibt. Die staatliche Gewalt und die Leitungsverantwortung des Vaters in der Familie sind keine gesellschaftliche Erfindung, sondern eine Einrichtung Gottes – jedenfalls, wenn man der Bibel glaubt. Paulus beugte seine «Knie vor dem Vater unseres Herrn Jesus Christus, von dem jede Vaterschaft (Patria) in den Himmeln und auf der Erde benannt wird» (Eph. 3,14–15). Gott hat seine Schöpfung so strukturiert, dass Väter darin eine entscheidende Rolle spielen. Väter müssen sich daran messen lassen, ob sie das Wesen und die Art des himmlischen Vaters widerspiegeln – ein Massstab, der jeden Vater einerseits demütig und bescheiden machen, andererseits auch die hohe Verantwortung und Würde der Aufgabe bewusst machen sollte.


Die Verunsicherung der Väter

Die Einrichtung der Vaterschaft vor allem als Familienvorstand ist unter scharfen Beschuss geraten. Dies kann man auf vielen Ebenen verdeutlichen, z. B. im Bereich der rechtlichen Entwicklung. Das Allgemeine Preussische Landrecht von 1794 ging von der väterlichen Gewalt aus: Die Kinder waren den Eltern «Ehrfurcht und Gehorsam» schuldig ... Die Anordnung der Art, wie das Kind erzogen werden soll, kommt hauptsächlich dem Vater zu». Im Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900 ist von der elterlichen Gewalt die Rede, aber mit einer herausgehobenen Stellung des Vaters: «Der Vater hat kraft der elterlichen Gewalt das Recht und die Pflicht, für die Person und das Vermögen des Kindes zu sorgen.» In der BGB-Version von 1957 heisst es noch: «Können sich die Eltern nicht einigen, so entscheidet der Vater; er hat auf die Auffassung der Mutter Rücksicht zu nehmen», eine Regelung, die bereits 1959 vom Bundesverfassungsgericht als unvereinbar mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau erklärt wurde. In der Neuregelung von 1979 ist nicht mehr von elterlicher Gewalt, sondern von elterlicher Sorge die Rede mit dem Grundgedanken, dass nicht mehr von elterlicher Herrschaft, sondern von einem partnerschaftlichen Eltern-Kind-Verhältnis ausgegangen wird. (Der Begriff «elterliche Gewalt» ist ein juristischer.)

Sowohl in der Soziologie als auch in der Psychoanalyse wurde der Vater vermehrt als Bedrohung für das Kindeswohl wahrgenommen. Eine extreme Stimme in diesem Zusammenhang ist der Existenz-philosoph Jean-Paul Sartre: «Es gibt keine guten Väter, das ist die Regel. Schuld daran soll man nicht den Menschen geben, sondern dem Band der Vaterschaft, das faul ist. Hätte mein Vater weitergelebt, er hätte mich mit seiner ganzen Länge überragt und dabei erdrückt. Glücklicherweise starb er früh ...»

Nicht ganz so krass, aber in eine ähnliche Richtung gehend ist die Äusserung von Susanne Gröne vom Diakonischen Werk in Bayern: «Kinder von Alleinerziehenden sind oft selbständiger und damit lebenstüchtiger als Kinder aus sogenannten intakten Familien.»

Angesichts dieser gesellschaftlichen Stimmung ist es nicht verwunderlich, dass in einer Studie von 1998 über das väterliche Rollenverständnis die verunsicherten Männer mit 37 % die mit Abstand grösste Gruppe darstellten (Traditionelle: 19 %; «Der neue Mann»: 19 %, Pragmatiker: 25 %).

(Artikelauszug aus ethos 01/2018)