Auffällige Federbüschel an den Ohren, leuchtend orangefarbene Augen – so sieht nur ein Uhu aus!
Kevin Winterhoff
3. Januar 2016

Ein schrecklich schönes Schaudern überfällt mich, als ich den Ruf von der gegenüberliegenden Felswand höre. Seit einigen Stunden warte ich im Steinbruch auf den Einbruch der Nacht. Während der Mond am dunkelblauen Nachthimmel aufgeht, ist immer wieder der weit entfernte Ruf des Männchens zu hören. Ein dumpfes, abfallendes «Uuuhhhouu» durchdringt das Tal. Nicht laut, eher stumpf, aber bis vier Kilometer weit hörbar. Es sind diese speziellen Momente draussen in der Natur, weswegen ich mit meiner Kamera hier sitze.

Der Uhu übt seit Jahren eine grosse Faszination auf mich aus. Immer wieder zieht es mich zu den mir bekannten Brutplätzen. Mittlerweile konnte ich unsere grösste heimische Eule an vielen verschiedenen Orten in meiner Umgebung nachweisen. Ich sah sie an Brutplätzen, bei der Futtersuche und beim nächtlichen Ansitz auf Kahlschlagflächen im Wald. Ihre grosse, kräftige schwarze Silhouette, die zwei Ohrfedern – ein beeindruckender Anblick!

An einem alten, sehr erfolgreichen Brutplatz brüten Uhus auch dieses Jahr wieder. Drei kräftige Junge schauen aus der Felswand hinunter und rufen mit ihrem heiseren Krächzen nach Futter. Damit animieren sie die Mutter zur Futtersuche. Es dauert nicht lange, bis das Weibchen aus ihrem Tageseinstand abstreicht und in die Nacht fliegt.

Ihre Beute besteht zu 50 % aus Igeln, je nach Stadtnähe werden auch Tauben oder Ratten gejagt. Aber auch andere Vögel, besonders Greifvögel und Eulen, gehören zu den Opfern der grossen Ohreule. Dass sie sich beim Beuteschlagen nicht verletzt, dafür sorgt die dicke Hornschicht an der Unterseite der Fänge, welche nur selten zu sehen sind.

Uhus können nahezu geräuschlos fliegen. Nicht wie bei anderen Vögeln haben die Federn keine festen Kanten, sondern weisen eine Zahnung auf. Die weichen, leicht ausgefransten Kanten und eine samtige Oberfläche des Gefieders dämpfen das Geräusch der sich aneinanderreibenden Federn und der Luft, die durch die Federn rauscht. Hinzu kommt eine relativ grosse Spannweite der Flügel, die den nachtaktiven Tieren einen sanften Flug auf leisen Schwingen ermöglicht.

Die Uhu-Jungen sind relativ lange abhängig von den Eltern und brauchen einige Zeit der Übung, bis sie ebenso gut fliegen wie diese und Situationen richtig einschätzen können. So wird bei mancher Landung schnell deutlich, dass ein Anfänger am Werk ist. Oder der junge Flugkünstler hält eine mickrige Bonsai-Birke für einen stabilen Ansitz, die sich dann aber schon bei der Landung schwer beugt. Auch nicht jeder Abhang entpuppt sich als geeigneter Landeplatz. Ist er zu tückisch, wird schnell durchgestartet – ein unterhaltsamer und witziger Anblick!

In solchen Momenten weiss ich, wie privilegiert ich als Naturfotograf bin, und ich geniesse es, obwohl ich Uhus bereits seit acht Jahren fotografiere und sie beobachte bei ihrer Jungenaufzucht. Der jugendliche Spieltrieb, das Interesse an allem Neuen und dieses lustige rhythmische Wackeln mit dem Kopf – dessen Sinn sich bisher für mich noch nicht erschlossen hat – lassen mich stets aufs Neue rausgehen und nach ihnen Ausschau halten – am besten nachts, wenn man kaum etwas sieht, aber aus den hohen Felswänden ein lautes «Uuuhuoou» herunterschallt.