1968 gründete Bruno Schwengeler einen christlichen Buchverlag im Rheintal. Der Pionier und seine Frau Yvonne fingen darauf auch mit einem eigenen Grafikbetrieb an, dem Cicero-Studio, um den Satz und die Werbung selber herstellen zu können (ethos und factum werden noch heute hier produziert.). 1979 brachte das Verlegerpaar erst die Zeitschrift factum, 1983 dann das Magazin ethos heraus. Fast dreissig Jahre war Yvonne Schwengeler die Chefredaktorin von ethos. 2014 ist Bruno Schwengeler heimgegangen. Er starb nach langer, schwerer Krankheitszeit an ALS. Über den Verlust des starken Mannes an ihrer Seite, über Trauer, Überforderung und das «Single-Sein» nach 50 Ehejahren sprach Yvonne Schwengeler mit ihrer Tochter Daniela Wagner.
Daniela Wagner-Schwengeler
12. Januar 2017

Es sind jetzt zwei Jahre her, seit du deinen Mann verloren hast. Wie hast du den Verlust erlebt?
Bruno litt ja an bulbärer ALS. Diese Krankheit führt zum Tod. Ich musste hilflos zusehen, wie mein Mann stetig abbaute. Zuerst verlor er die Fähigkeit zu sprechen, dann konnte er nicht mehr schlucken ... Es war ein langsames, unaufhaltsames Sterben. Lange vor seinem Tod lernte ich, Abschied zu nehmen. Es war schwer, nicht mehr mit ihm kommunizieren zu können. Als er dann für immer die Augen schloss, war ich erst mal nur froh für ihn, dass sein Leiden ein Ende hatte und er nun Jesus sehen darf, den er liebte und dem er sein Leben lang gedient hatte.

Die ersten Tage erlebte ich wie im Traum. So viele Dinge mussten erledigt werden. Es irritierte mich, dass meine Gefühle wie eingefroren waren.

 

Wie bewältigst du den Trauerweg?
Je grösser die Liebe, desto stärker ist der Abschiedsschmerz und die Wunde des Verlusts. Die Trauer macht deutlich, was man Kostbares verloren hat.

Ich erlebte sehr viel Anteilnahme, bekam Hunderte von Briefen von Leuten, die Bruno gekannt und geschätzt hatten. Es tat mir gut, über ihn zu sprechen.

Er war auch im Haus noch irgendwie präsent. Manchmal war es, als würde er plötzlich zur Tür hereinkommen. Die Endgültigkeit des Verlustes wurde mir erst nach und nach bewusst. Dann war es, als gingen alle Lichter aus. Die Lebensfreude erstarb. Ich fühlte mich wie amputiert. Ein Teil von mir war mitgestorben. Ich wusste nicht, wie ich ohne Bruno weiterleben konnte. Todessehnsüchte waren mir damals nicht fremd. Ich ging nicht gern unter Leute, weil mir oft unvermittelt die Tränen kamen. Zuhause konnte ich meinen Gefühlen freien Lauf lassen.

Vieles, das wir aushalten müssen, ist hart, aber es gibt auch immer wieder Geschenke des Himmels: ein tröstendes Bibelwort; die Kinder oder die Enkel, die vorbeikommen; der Anruf oder die Karte einer Freundin; Blumen vor der Tür ...

Wenn wir in einer engen Beziehung zu einem andern Menschen leben, stellt man sich aufeinander ein. Das gemeinsame Lebenskonzept führt dazu, dass man miteinander verwächst. Der Tod kappt diesen Verbindungsstrang. Es galt, mich wieder neu zu orientieren.

 

Was rätst du andern Betroffenen?
Jede Beziehung ist anders, jeder trauert anders. Ob man loslassen kann, hängt nicht zuletzt damit zusammen, ob unbereinigte Dinge den Zurückgebliebenen belasten, Schuld, die nicht angesprochen und vergeben wurde. Nach so einem endgültigen Abschied ist es aber auch normal, wenn Selbstvorwürfe hochkommen: «Hätte ich doch ...», «Wäre ich nur ...». Wir alle sind Schuldner, mindestens in der Liebe. Was für ein Vorrecht, dass wir all das, was uns belastet, ans Kreuz bringen dürfen! Dort hat Jesus bezahlt für alle Versäumnisse und Lieblosigkeiten! Er nimmt uns die Last ab, sodass wir ohne «Rucksack» weitergehen können.

Es geht dann darum, sich die Zeit zu geben, um die Trauer zu verarbeiten. Der unwiederbringliche Verlust bringt Gefühle tiefer Traurigkeit und Verlassenheit hervor.

In dieser Phase fühlt man sich oft müde und antriebslos. Der Kummer nimmt uns alle Kraft, das «Herz ist gebrochen».

Nach einiger Zeit legt sich das Gefühlschaos. Die Traurigkeit ist immer noch gross, aber der Weg scheint nicht mehr hoffnungslos. Nach dem dunklen Tal der Einsamkeit sieht man wieder Licht und kann sich freuen. Man weiss, es wird nie mehr so werden, wie es einmal war, aber die Freude und das Lachen kommen wieder. Und man erkennt: «Der Herr war immer da und seine Liebe trug mich über den Abgrund.»

Elisabeth Elliot, die drei Ehemänner zu Grabe tragen musste, schrieb:

«In diesen Zeiten bin ich auf wunderbare Weise getröstet und gestärkt worden, indem ich einige einfache Pflichten ausgeführt habe. Nichts Gros­ses oder Heldenhaftes oder gar Geistliches – einfach nur etwas, was getan werden musste ... Manchmal muss man sich zusammenreissen, um die Arbeit zu erledigen, aber es ist erstaunlich, wie man Kraft dafür bekommt.»

(Artieklauszug aus ethos 1/2017)