Kennen Sie solche Situationen? Das «Was wäre, wenn ...» macht Angst vor der Zukunft, der Blick zurück quält mit dem Bedauern «wenn doch nur ...». Das «Wenn» in unserem Kopf wächst zum gedankenbestimmenden Riesen.
Sabine Kähler
13. Mai 2017

Ich bin unruhig. Eigentlich müssten meine (fast erwachsenen) Kinder längst zurück sein. Sie sind mit unserem Auto unterwegs. Immer wieder wandert mein Blick zur Uhr ... Ich gebe meiner Sorge Ausdruck. Mein Mann brummt nur: «Sicher werden sie gleich kommen.» Doch das hilft mir nicht weiter. Meine Gedanken beginnen zu kreisen. Wenn unterwegs etwas passiert ist? Ich versuche, sie auf dem Handy zu erreichen. Keine Reaktion. Also doch ... Ich tigere durchs Haus, male mir die unterschiedlichsten Szenarien aus. Ein Autounfall? Noch ein versuchter Anruf. Nichts. Das Gedankenkarussell dreht sich schneller. Ich bin nicht mehr in der Lage, konzentriert meine Arbeit zu tun ...

Endlich, mit zwei Stunden Verspätung, trudeln sie ein, fröhlich, ausgelassen, unbekümmert. Ich bin erleichtert, aber auch ärgerlich – am meisten jedoch auf mich selbst. Die letzten zwei Stunden hätte ich besser nutzen können ...

Kennen Sie solche Situationen? Das «Wenn» in unserem Kopf wächst zum gedankenbestimmenden Riesen, lässt uns erschauern vor dem, was unseren Lieben passiert sein könnte, und raubt uns jede Ruhe. Ich kenne solche Situationen zur Genüge – diese und andere Wenn-Fragen treiben mich immer wieder um.

Als meine Kinder kleiner waren hatten sie immer viel Spass daran, sich auszumalen, wie es wäre, ganz viel Geld zu besitzen. Wir würden das Nachbarsgrundstück kaufen, einen Badeteich anlegen oder mindestens einen Swimmingpool. Herrlich! Es blieb beim Traum.

So wie unsere Kinder damals, blicken auch wir in die Zukunft und beschäftigen uns mit dem «Wenn» in unserem Leben. Wir kämpfen mit unerfüllten Wünschen, befürchten unangenehme Wendungen unseres Schicksals, lassen unseren Ängsten freien Lauf und sind in Gedanken mit irgendwelchen Eventualitäten beschäftigt.

 

Was ist, wenn ich Krebs bekomme? Wenn ich die Arbeitsstelle verliere? Wenn ich die Prüfung nicht bestehe?

Diese Wenn-Fragen treiben uns in Sorge und Unruhe. Aber Achtung! Wir sorgen uns um Dinge, die noch gar nicht eingetroffen sind und vielleicht auch gar nie eintreffen werden. Wie viel Kraft und Energie geht verloren durch das ständige Kreisen der Gedanken!

Ich möchte das nicht. Viel lieber wäre ich wie mein Mann, der den Dingen gelassen entgegensieht und sich nicht in unnötigen Sorgen verzehrt. Liegt es an meinem Charakter? Habe ich zu wenig Glauben? Warum lasse ich immer wieder zu, dass Befürchtungen und Ängste meinen Blick auf Gott verstellen?

 

Mein Selbsthilfeprogramm

Wenn ich mich wieder von einem «Wenn» habe einfangen lassen, meine Gedanken sich verselbständigen, Panik aufsteigt und die Angst mich verfolgt, wird es höchste Zeit für einen Gedankenstopp. Ich weiss: Gott liebt mich. Er meint es gut mit mir. Sein Plan für mein Leben ist gut. Ich weiss aber auch: Als Christen haben wir keine Garantie dafür, dass in unserem Leben immer alles glattläuft. Auch Christen werden vor Unfällen nicht verschont. Sie verlieren ihre liebsten Angehörigen, erleben Leid, Krankheit und Arbeitslosigkeit. Ich muss mir also eingestehen, dass schlimme Dinge passieren können. Aber: Gott ist immer Herr der Lage. Nie verliert er die Kontrolle. Ich kann nur eines tun: vertrauen. Ich vertraue ihm mein Leben an, die Menschen, die ich liebe, die Umstände. Mein Sorgen bewirkt ja nichts, dadurch kann ich weder meine Kinder bewahren noch meine Umstände verändern. Aber Gott kann.

Gerne erinnere ich mich an die Bibel- worte, die wir vor vielen Jahren zu unseren Trauversen gemacht haben:

«Aus tiefster Seele hoffen wir auf den Herrn; er allein ist unsere Hilfe und der Schild, der uns schützt. Denn an ihm freuen wir uns von ganzem Herzen, und wir vertrauen auf seinen heiligen Namen. Deine Gnade, Herr, sei über uns, wie wir es von dir erhoffen» (Psalm 33,20–22).

Ich übe noch. Ich möchte Gott vertrauen, immer wieder und immer mehr. Ich möchte den «Was-wäre-wenn»-Fragen weniger Platz einräumen und Gott mehr Raum geben. Manchmal gelingt es mir besser, manchmal weniger gut. Meine Zielvorgabe steht im Psalm 112. Dort heisst es von einem Menschen, der mit Gott lebt: «Vor der Unglücksbotschaft fürchtet er sich nicht, sein Herz vertraut fest auf den Herrn.»

(Artieklauszug aus ethos 5/2017)