Carmen Shamsianpur fühlt sich als guter Mensch: Sie setzt sich für die Umwelt, die Tiere und die Gleichheit und Freiheit aller Menschen ein. Nur eines weiss die Denkerin nicht: Wozu das alles? Sie spürt eine Leere. Irgendetwas scheint zu fehlen. So wie ihr geht es vielen. Man hat alles und ist doch nicht ausgefüllt. Auf der Suche nach Antworten fährt sie mit ihrem Fahrrad durch halb Deutschland.
Carmen Shamsianpur
1. Juni 2020

Ich bin 36 Jahre alt und verbrachte eine sehr schöne Kindheit. Als ich neun Jahre alt war, liessen sich meine Eltern scheiden. Das war schwer, aber ich hatte trotzdem einen guten Kontakt zu Mutter und Vater. Ich hatte eine Schwester, die ich sehr liebe, Freunde und einen festen Freund. Als gute Schülerin standen mir alle Möglichkeiten offen, zu studieren, was ich wollte, ob in Deutschland oder im Ausland. Meine Eltern unterstützten mich in allem. Ich bewegte mich in linksradikalen Gruppen, demonstrierte gegen den Krieg, für Umwelt- und Tierschutz. Ich hielt mich für einen wirklich guten Menschen. Aber trotz all dieser Dinge, die ich hatte, trotz Gesundheit und allem konnte ich nicht behaupten, glücklich zu sein.

Die Frage, wozu ich lebe, beschäftigte mich. Meinem Leben fehlte der Sinn. Etwas, wofür es sich zu leben lohnte. Dabei war ich mir ganz sicher, dass es keinen Gott gab. Gleichzeitig bedauerte ich dies.

Sie wollten Antworten finden auf Ihre Fragen …

Carmen Shamsianpur: Ja. Dieses sinnlose Leben war für mich wirklich zum Problem geworden. Ich suchte nach einem Lebenssinn und einem Gefühl von Freiheit. So war ich einige Monate mit meiner Gitarre, dem Fahrrad und ohne Geld auf der Strasse unterwegs. Doch statt eines Freiheitsgefühls erlebte ich mehr Einsamkeit als zuvor. Die Natur um mich herum war wunderschön. Aber für wen sollte das wichtig sein?  Das Loch in meinem Herzen wurde immer grösser.

Dann ereigneten sich Dinge, denen Sie anfangs keine Bedeutung beimassen …

Ja, noch heute staune ich, wenn ich wieder darüber nachdenke!

Nachts wollte ich nicht auf der Strasse schlafen. So klingelte ich bei wildfremden Leuten und fragte, ob ich in ihrer Garage oder ihrem Garten übernachten dürfe. Die erste Familie sagte: «Klar, du musst nicht draussen schlafen. Komm rein. Hier bekommst du etwas zu essen, ein Bett und eine Dusche.»

«Wow», dachte ich, «danke.» Und dann haben sie mir von Jesus erzählt. Okay, wenn das der Familie gut tut ... Für mich war das nichts. Alles, was nach Religion oder dem Christentum roch, schien mir nur etwas für schwache, alte Leute oder solche zu sein, die nicht eigenständig denken können. Die sich was zurechtlegen und so dem Dasein einen Sinn geben möchten. Ich war eine sehr stolze Frau und dachte: «Das ist aber schön für euch, dass ihr etwas gefunden habt, das euch im Leben hilft. Ich brauche das nicht.»

Dann verabschiedete ich mich. Aber wo habe ich die folgende Nacht verbracht? Wieder in so einer Familie! Beim zweiten Mal denkt man noch: «Oh, schon wieder Christen.» Aber beim dritten, vierten und fünften Mal ... jeden Abend Christen, wieder Evangelium und Lebensgeschichten, nicht nur über ein altes Buch und eine Religion, sondern über eine Beziehung mit einer Person, Jesus Christus. Er sei der Sohn Gottes, behaupteten sie. Für sie schien er real; sie rechneten mit ihm, mehr als mit jeder für sie sichtbaren Person. Sie waren mindestens so sicher, dass es ihn gibt, wie ich sicher war, dass es ihn nicht gibt.

Jetzt musste ich mich damit auseinandersetzen, dass verschiedenste Leute, die sich weder kannten noch sich vorher abgesprochen haben konnten, mit mir über das Christentum sprachen. Seltsam.

Abend für Abend ging es so weiter und nach etwa der elften Begegnung dieser Art in Folge verstand ich, dass da etwas Grösseres dahinterstehen musste. Da schien es doch einen Gott zu geben, der irgendwie mich meinte.

Glaubten Sie nun an die Existenz Gottes?

Ich konnte nicht mehr leugnen, dass es «etwas» gibt. Aber es war schwierig. Ich wollte alles verstehen, habe viel gefragt, warum dieses und jenes so ist. Wie soll das gehen, dass Gott die Welt geschaffen hat? Das konnte ich nicht akzeptieren. Ich wollte es mit meinem Verstand begreifen, während Gott zu meinem Herzen reden wollte. Diese Sprache sprach ich noch nicht. Ausserdem wusste ich nicht, wer genau dieser Gott, dieses «Etwas», war.

Wie kamen Sie zu der Überzeugung, dass der Gott der Bibel der wahre Gott ist?

Damals schon hatte ich viel Kontakt mit Muslimen und teilweise faszinierte mich ihr Glaube an Gott, den ich bei Christen so intensiv bis dahin nicht erlebt hatte. Sie konnten total dankbar sein für einen schönen Sonnenuntergang, weil Gott ihn für uns gemacht hatte. Ich fand das natürlich Quatsch. Aber ich hatte niemanden, dem ich dankbar sein konnte für die schönen Dinge im Leben. Gott hätte ebenso gut Allah sein können. Ich wollte sicher sein und mir nicht eine Religion aussuchen, die meiner Kultur am nächsten stand. Deswegen sagte ich in meinen ersten Gebeten zu Gott: «Zeig mir, wer du bist und was du von mir möchtest. Ich tue alles. Ich ziehe mir auch ein Kopftuch an und pilgere nach Mekka. Aber ich muss genau wissen, wer du bist.» Aus allem, was ich wusste, war mir klar: Wenn der Gott der Muslime real ist, ist er allmächtig, hat alles geschaffen, malt Sonnenuntergänge für Menschen und kann sich mir offenbaren. Er kann es aber auch bleiben lassen. Er kann zu mir sprechen, muss es aber nicht. Er hat es nicht nötig. Wenn Gott aber der Gott der Christen ist, dann hat er für eben diese Beziehung sein Äusserstes, seinen Sohn, sein Leben, gegeben. Dann hat er sich einmal für alle Menschen so erniedrigt und würde es für mich wieder tun. Er würde meine verzweifelten Fragen ernstnehmen und mir antworten. Das hat er getan.

Jetzt können Sie auch an die Schöpfung glauben? Wie kam das?

Der Kampf dauerte einige Monate, bis ich Jesus kennenlernte. Er hat nicht lockergelassen und ist mir nachgegangen, bis ich ihm wirklich 100 % mein Leben anvertrauen konnte. Damit ging einher, dass ich 100 % an sein Wort glaubte. Was mich überzeugt hat, war schlicht und ergreifend die Realität Gottes. Für mich war klar: Wenn er tatsächlich existierte, dann konnte er alles tun. Selbst in sechs Tagen die Welt schaffen, das Meer teilen, Brot vermehren und Blinde heilen. Wenn es ihn wirklich gab, war sein Verstand unendlich grösser als meiner. Ich brauchte nur Beweise für seine Existenz, um das alles zu glauben.

Viele Menschen sagen, sie würden glauben können, wenn sie Beweise hätten. Wie hat er sich Ihnen bewiesen?

Gott hat in seinem Wort versprochen, dass jeder, der ihn von Herzen sucht, ihn auch finden wird. Dieses Wort aus Jeremia 29 gab mir Hoffnung. Egal, wie lange es dauern würde – wenn der Gott der Bibel lebte, würde ich bei ihm ankommen. Doch manches machte mir Angst. Ich wollte Gott von Herzen kennenlernen, aber ich wollte nicht von Herzen nach seinen Gesetzen leben. Von aussen betrachtet kam mir das Leben eines Christen langweilig und beengt vor, also genau das Gegenteil von dem, was ich eigentlich suchte. Und selbst wenn ich so hätte leben wollen, wie es Gott gefiel, hätte ich es nicht vermocht. Nicht morden, nicht stehlen, nicht lügen – das würde ich noch hinbekommen. Aber wer kann sich schon dazu bringen, nicht zu begehren, nicht neidisch zu sein? Ich spürte, dass ich Gottes Anspruch nie gerecht werden konnte und das in meinem tiefsten Innern auch nicht wollte. Ich wusste und verstand noch nicht, dass Gott mir ein neues Herz, einen neuen Geist und ein völlig neues Denken schenken wollte. Als das geschah, war es für mich das grösste Wunder und der Beweis für alles. Gott hat mich so tief berührt und verändert, wie keine Person oder Erfahrung auf der Welt es hätte tun können.

Jesus verändert Leben wirklich. Ich kenne niemanden, der Jesus kennengelernt und dessen Leben nicht eine drastische Wende genommen hat. Als ich das von aussen sah, brachte es mich zum Nachdenken und zum Hinterfragen meiner eigenen Weltanschauung. Als ich es selbst erlebte, war es ein Beweis.

Lesen Sie das ganze Interview in ethos 06/2020.