Gastfreundschaft oder Privatsphäre? Zeit für uns oder für andere?
Stephan und Elisabeth Weise
14. Oktober 2023

Es gibt sie aus Holz, Kunststoff oder Aluminium, farbig oder weiss, modern oder klassisch: die Haustür. Man kann sie schliessen, um Ungewolltes draussen zu halten, und öffnen, um Menschen in sein Haus einzulassen. Beides ist für eine christliche Familie wichtig: Wir wollen die Tür zu unserem Zuhause weit aufmachen und unser Leben mit anderen teilen. Gleichzeitig braucht es auch Zeiten, in denen wir hinter geschlossener Tür nur für uns sind.

Herzlich willkommen! –  Die geöffnete Tür

Gottes Wort ermutigt an vielen Stellen, die Tür zu unseren Familien grossherzig zu öffnen und gastfreundlich zu sein. Gastfreundschaft ist für Christen keine Option, sondern ein Auftrag. Keine Sonderveranstaltung, sondern Teil des Alltags. Gott möchte, dass die Türen seiner Kinder gut geölte Angeln haben, damit sie sich geräuschlos öffnen lassen. «Seid gastfrei ohne Murren» (1. Petr. 4,9).

Warum ist Gastfreundschaft so wichtig? Dafür gibt es viele Gründe. Zuerst: Unzählige Menschen haben Gott dadurch kennengelernt, dass sie zu Gast bei einer gläubigen Familie sein konnten. Für viele Menschen ist es eine aussergewöhnliche Erfahrung, von jemandem, dem man nicht besonders nahesteht, eingeladen zu werden.

Ausserdem berichten viele Christen, wie essenziell es für ihr Wachstum im Glauben war, dass es in ihrem Leben gastfreie Familien gab. Häuser, in denen beim Mittagessen die Predigt vom Sonntagvormittag besprochen wurde. In denen man beobachten konnte, wie der Alltag in einer gläubigen Familie aussieht – inklusive umgeworfener Becher und weinender Kleinkinder. Wo es Gastgeber gab, die bereit waren, ihre Zeit, ihren Besitz, ihr Essen und ihr Leben mit dem Besucher zu teilen.

Es ist eine Tatsache: Für die Ausbreitung des Reiches Gottes ist Gastfreundschaft essenziell. Wie viele Kinderstunden finden in Privaträumen statt, wie viele evangelistische Kreise treffen sich am Küchentisch und wie viele Gemeinden haben in einem Wohnzimmer begonnen! Noch häufiger als im Büro eines Therapeuten geschieht Seelsorge während einer Tasse Kaffee auf dem Sofa. Um wichtige Erziehungstipps zu bekommen, kann man ein entsprechendes Seminar besuchen – oder einfach häufig Familien mit älteren Kindern einladen. Sicher ist: Wer nicht gastfrei ist und sich selbst nicht einladen lässt, verpasst so viel von dem, was Gott an Stärkung, Freude und Gewinn für unseren Weg auf der Erde vorbereitet hat.

Also, auch wenn wir meinen, unser eigenes Leben sei schon voll genug: Ein offenes Haus ist ein grosser Segen. Für alle Menschen, denen wir unsere Tür öffnen, aber auch für uns selbst.

Denn wie so oft bei Gottes Geboten sind auch bei der Gastfreundschaft die Gehorsamen die Gesegneten. Andere Menschen bereichern unser Leben und erweitern unseren Horizont. Freundschaften entstehen und werden gepflegt. Unsere Kinder lernen andere Charaktere, Lebensumstände und Berufe kennen. Missionare und Prediger erzählen aus ihrem Leben, «Otto-Normal-Christen» berichten aus ihrem Alltag. Wie wichtig ist es für unsere eigene Familie, nicht im eigenen Saft zu schmoren! Wie gut tut es unseren Kindern, ganz nebenbei zu lernen, mal nicht im Mittelpunkt zu stehen, zuzuhören und die Spielsachen mit Besucherkindern zu teilen. Eine gastfreie Familie ist eine gesegnete Familie.

Leben teilen

Wann wird Gastfreundschaft anstrengend? Wenn man nicht echt sein kann und die «fromme Familie» spielt, die man eigentlich gar nicht ist. Wenn man immer hoffen muss, dass der Besuch dieses oder jenes nicht mitbekommt. Ungezwungen und stressfrei gastfreundlich zu sein ist demjenigen möglich, der dazu steht, wie es im Moment zu Hause aussieht – vielleicht mit einem wackeligen Garderobenständer, einem Kind in einer schwierigen Phase und einem ungesaugten Fussboden. Wer meint, mit dem Öffnen seiner Tür warten zu müssen, bis er eine «perfekte Familie» präsentieren kann, wird nie Besuch haben. Denken wir daran: Bei Gastfreundschaft geht es nicht darum, die Gäste zu beeindrucken, sondern authentisch zu sein. Es geht um die Bereitschaft, sein Leben inklusive Höhen und Tiefen mit anderen zu teilen.

Lesen Sie den ganzen Artikel in ethos 10/2023