Männer sind verunsichert. Sind sie dominant, bekommen sie das Etikett «Macho», sind sie zurückhaltend, werden sie als «Weichei» verschrien. Zudem liegt es in der Natur der Männer, dass sie ihre Zeit oft danach sortieren, was anstrengt und was entspannt, und nicht danach, was sinnvoll oder weniger sinnvoll ist.
Raphael Berger
7. September 2019

ethos im Gespräch mit Ingo Krause über belastbare Familienstrukturen und das Potenzial einer sogenannten «Familie plus». Denn nicht alles ist «Familie», wo «Familie» draufsteht.

Herr Krause, Ihre vielen verschiedenen Aufgabenbereiche vor Augen drängt sich mir, als Vater von drei (bald vier) kleinen Jungs, die Frage auf: Wie bringen Sie das alles unter einen Hut?

Ingo Krause: Das frage ich mich manchmal auch! (lacht) Vielleicht liegt es daran, dass ich meist recht effizient arbeite und kein Grübler, oder anders gesagt ein relativ sorgloser Mensch bin. Das ist ein Geschenk. Zudem macht mir Arbeiten an sich Spass. Ich bin an vielem interessiert und es fällt mir leicht, Neues zu lernen.

Unsere Gesellschaft ist geprägt vom Verlust christlicher Werte. Was für Auswirkungen sehen Sie in der Familie?

Es ist ein bisschen so, wie wenn man beim Mauern am Mörtel spart. Klar, eine Wand kann man auch ohne Mörtel bauen, sie wird aber nicht belastbar sein. Wenn Gottesfurcht und biblische Tugenden wie Ehrlichkeit, Treue und Demut aus einer Gesellschaft verschwinden, dann verlieren wir den Kleber, der uns verbindet. Die Beziehungen halten Belastungen nicht mehr stand und die Psyche der Menschen bricht zusammen. Übrig bleibt ein Trümmerfeld: Einsamkeit, berufliches und familiäres Scheitern, ausser Kontrolle geratene Kinder, Zukunftsängste.

Die Familie als Keimzelle der Gesellschaft ist vor allem in Europa unter die Räder geraten – im Gegensatz zu Asien, wo die Familie einen hohen Stellenwert geniesst.

Wir haben aufs falsche Pferd gesetzt. Der Kapitalismus wird uns so wenig retten wie die Klimareligion oder der Toleranzkult. Mit der Schwächung der Familie hat Europa angefangen, sich selbst abzuschaffen. Wir haben ein Einsamkeitsproblem. Künftig werden sich die glücklich schätzen, die funktionierende Familien haben. Familien sind der Motor der Gesellschaft.

Inwiefern?

Wer seine Kinder nach biblischen Massstäben erzieht, wird stärkere, gesündere und belastbarere Familienstrukturen haben, sozusagen «Familie plus». In solchen Familien erfährt man mehr Geborgenheit und Zufriedenheit. Das wird vom Umfeld nicht unbemerkt bleiben und ganz neue Möglichkeiten bieten, Menschen die Frohe Botschaft von Jesus zu erzählen. Ich denke, der christliche Glaube ist dort attraktiv, wo er sich in den Belastungen des Lebens bewährt.

Mann zu sein in unserer feminisierten Gesellschaft ist «out». Was hat das mit uns Männern gemacht?

Einiges. Männer sind verunsichert. Sind sie dominant, bekommen sie das Etikett «Macho», sind sie zurückhaltend, werden sie als «Weichei» verschrien. Es gibt eigentlich keine Verhaltensnorm mehr, die unverdächtig wäre. Verhalten sich Männer «zeitgeistkonform», sind sie selbst unglücklich; verhalten sie sich selbstbewusst, führend, vorangehend, werden sie in bestimmten Kreisen angefeindet.

Wie soll sich denn nun ein Mann verhalten?

Keiner ist wie der andere und deshalb kann ich diese Frage nicht pauschal beantworten. Ich bin aber sicher, dass jeder Mann zu dem Mann wird, den Gott in ihn hineingelegt hat, wenn er die Frau als Ergänzung sieht und nach Gottes Willen in seinem Leben fragt. «Mannhaft» steht in 1. Korinther 16,13 gleichwertig mit den Tugenden «Stärke», «Wachsamkeit», «Festigkeit». Damit wird ein Mann nicht geboren, dahin wird er geprägt.  

Wie wirkt sich der Feminismus auf die Beziehung zwischen Mann und Frau aus?

Mit der Gleichstellung geht die Wertschätzung verloren. Dabei ist das die Würze im Umgang der Geschlechter. Was aber noch tiefer wirkt, ist, dass der Feminismus die Beziehung von Mann und Frau an sich entwertet hat. Wenn alle gleich sind, dann ist jeder austauschbar. Das biblische Prinzip von Mann und Frau ist aber nicht «Gleichheit», sondern «Ergänzung». Die Unterschiedlichkeit in der Biologie und in der Psyche sind gottgewollt und keineswegs das Problem. Wenn jede Frau ihren Mann so lieben würde, wie er nun mal ist, und umgekehrt, gäbe es den Feminismus nicht. Die eigentliche Ursache des Geschlechterkampfes geht auf den Sündenfall zurück, der einen Fluch auf das Geschlechterverhältnis gelegt hat (1. Mose 3,16). Dieses sich «Gegenseitig-Bekriegen» und das Streben nach Vorherrschaft ist darin begründet. Männer wie Frauen brauchen Erlösung durch das Kreuz und kein Gender Mainstream. Wir müssen uns nicht vergleichen, sondern Christus gleich werden.

Wo finden Männer und Väter heute echte Vorbilder?

Hoffentlich in ihren Vätern, Grossvätern und in den Gemeinden. In jedem Fall sind uns biblische Männer die Art Vorbilder, die in jede Kultur passen. Für mich steht David ganz vorne. Seine Liebe und Treue zu Gott, seine Loyalität, seine Ehrlichkeit und seine gesunde Emotionalität sind wahre Schulen. Es gibt auch viele Vorbilder in der Kirchengeschichte, die uns mit ihrem Mut und ihrer Hingabe Antworten geben.

Nach meinem Verständnis sind die Charaktereigenschaften, die Gott wichtig sind, unabhängig vom Geschlecht. Dazu zählen Eigenschaften wie Geduld in Versuchungen; Selbstbeherrschung bei Provokationen; Nächstenliebe, die sich aufopfert; Friedfertigkeit bei Anfeindung u. a., die in Galater 5 beschrieben werden.  

Was sind die typischen Herausforderungen für einen christlichen Vater?

Ein Kümmerer zu sein für seine Angehörigen. Sich nicht ständig ablenken zu lassen durch das Smartphone. Für viele Männer übernimmt es die Rolle der Konkubine, die Bedürfnisse stillen soll, die im realen Leben unbefriedigt bleiben. Dann haben Männer die Neigung, abzutauchen und die Verantwortung den Frauen zu überlassen, vielleicht, weil es bequem ist und die Frauen den Job auch machen. Wir Väter haben teilweise eine Neigung zur Gleichgültigkeit, die ich bei Müttern so nicht beobachte. Es ist eine Mühe und Kraftanstrengung, diese Verantwortung wahrzunehmen und präsent zu sein. Wir können leider gut damit leben, dass die Mütter den Kindern die biblischen Geschichten erzählen, überlassen ihnen die Andachten bei Tisch und die Aufforderung zum gemeinsamen Gebet am Ende des Tages. Das ist aber vorrangig unsere Aufgabe!

Und natürlich ist das Thema Pornografie ein dunkles und verstecktes Leiden vieler Väter, das erlebe ich auf vielen Männertagungen. Das ist mit viel Scham und Schuld besetzt. Es lähmt Väter in ihrer moralischen Kraft und ihrem Führungsanspruch in Familien und Gemeinden. Die Unglaubwürdigkeit, die sie dann empfinden, lässt sie verstummen und die Freude an Jesus erlöschen. Ich vermute, dass ein erheblicher Teil der Männer, die schweigend in den Gemeinden sitzen, durch dieses Hindernis auf «stumm» geschaltet sind. Und sie haben Angst, dass es die Ehefrauen erfahren. Dabei hilft es, sich Brüdern anzuvertrauen. Und Frauen sollten ihrem Mann annehmend begegnen, wenn er sich ihnen mit seiner Not offenbart. Da muss ganz viel Heilung und Vergebung geschehen.

Was sagt die Bibel zur Rolle von Mann und Frau in einer Familie?

Nur die Frau hat die Fähigkeit, Kinder zu bekommen. Das Muttersein hat in der Bibel einen hohen Stellenwert, auch wenn Mütter in unserer heutigen Gesellschaft diffamiert werden. Unter anderem für die Entwicklung einer gesunden Bindungsfähigkeit sind Mütter unersetzlich.

Die Erziehung zur Lebensweisheit scheint mir im Licht der Sprüche vor allem die des Vaters zu sein. Er soll seine Kinder in allen Lebensfragen unterweisen und zur Gottesfurcht und Liebe zu Gott hin prägen. Unübertroffen wichtig ist seine Aufgabe, das Vaterbild seiner Kinder zu prägen, weil daran ihr Vaterbild von Gott hängt. Wenn Jesus von seinem «Vater» spricht, dann ist das sehr positiv. Deshalb ist es für Väter so wichtig, dass sie sich in der Bibel ganz genau anschauen, wie Gott als Vater ist.

Dieses biblische Rollenverständnis wird auch in christlichen Kreisen zunehmend hinterfragt. Was hat das für Konsequenzen? Was bedeutet das für den Mann?

Ja, die Gleichheitsideologie hat auch in Gemeinden Einzug gehalten. Der Gedanke der Ergänzung ist in manchen christlichen Kreisen fast vollständig verschwunden, das ist ein Verlust. Es wird peinlich genau auf Parität geachtet, die schöpfungsgemäss angelegte Schwerpunktbegabung wird geleugnet. Wer mit der «Gleichheitsbrille» rumläuft, ärgert sich an jedem noch so kleinen Unterschied. Die «Ergänzungsbrille» hingegen schafft Gelassenheit, das brauchen wir.

Lesen Sie das ganze Interview in ethos 09/2019.