Was für ein Gesicht wird das Leid hinter dieser Krankenzimmertür haben? Wie die richtigen Worte finden, der Schwerstkranken von der Rettung in Jesus über dieses irdische Leben hinaus zu erzählen? Ein Besuch auf der Palliativstation.
Silvia Konstantinou
7. Februar 2017

Als ich den Weg zur Palliativstation hochgehe, kommen mir die Worte einer Freundin in den Sinn: «Mona hat sich sehr verändert. Sie trägt jetzt kurze Haare, und du weisst ja ... das viele Cortison ...»

Nachdem ich am Morgen speziell für diesen Besuch gebetet habe, denke ich, gut vorbereitet zu sein. Trotzdem beschleicht mich ein mulmiges Gefühl. Was würde mich erwarten? Schliesslich sind seit unserer letzten Begegnung doch einige Monate vergangen ...

Jahrelang haben wir zusammengearbeitet, die um zehn Jahre jüngere Mona und ich. Eine Freundschaft entstand. Gemeinsam gingen wir ins Theater, besuchten Musikveranstaltungen oder Ausstellungen. Mona, die Extrovertierte, Unternehmungslustige, Mutige, Hilfsbereite. Mona, die gross gewachsene Schöne mit den braunen Traumhaaren. Und dann, nach einem schweren epileptischen Anfall, die unfassbare Diagnose: Gehirntumor.

Die anschliessende Operation verläuft gut. Doch Mona ist orientierungslos, klagt über Gedächtnislücken. Ich begleite sie zu Untersuchungen und Nachbesprechungen, höre für sie, stelle für sie Fragen, schreibe für sie mit. Bei Spaziergängen erzähle ich ihr von meinem Glauben an Jesus. Doch ich komme nicht richtig zu ihr durch, immer wieder schweift sie ab. Einmal schwärmt sie von einem buddhistischen Zentrum, wo sie sich gut aufgehoben fühle. Bald danach zieht Mona zu ihrer Mutter aufs Land.

Letztes Jahr dann die Nachricht vom Rezidiv – diesmal inoperabel. Mona schreibt, sie würde sich über einen Besuch von mir freuen. Ich freu mich auch und sehe es als Chance, sie nochmals auf das Rettungsangebot Jesu hinzuweisen.

Nun stehe ich vor der Tür des Krankenzimmers, hole tief Luft, klopfe an, warte kurz und trete ein. Eine Frau sitzt am Bettrand, schaut mich an. Schon möchte ich mich für meinen Irrtum entschuldigen, das falsche Zimmer erwischt zu haben, da spricht sie mich an, begrüsst mich freudig. Es ist Monas Stimme! Aber wo in diesem fremden Körper mit dem aufgedunsenen Gesicht steckt meine alte schöne Mona? Ihr kurzes, graues Haar weist kahle Stellen auf. Ob sie realisiert, wie sehr mich ihr Anblick schockiert?

Mona bittet mich, ihr in einen Lehnstuhl zu helfen und mich ganz in ihre Nähe zu setzen. Offenbar ist auch mit ihren Augen etwas nicht in Ordnung. Vorsichtig führe ich sie zu dem gewünschten Platz, alleine gehen schafft sie nicht mehr.

«Erzähl mir von dir!», fordert sie mich auf. Sie freut sich sichtlich über meine kleinen Alltagsgeschichten. Ihr Lachen ist immer noch ansteckend, sogar im Angesicht des Elends. Manchmal schliesst sie müde die Augen. Dann forsche ich in ihrem bleichen Gesicht vergeblich nach Vertrautem.

Nach einer Stunde ist Mona völlig erschöpft. Sie möchte sich hinlegen. Bevor ich mich verabschiede, nehme ich ihre Hände in meine und bete für sie. Sie bedankt sich herzlich und wünscht, dass ich bald wiederkomme.

Ich bin völlig benommen. Es bedrückt mich, sie nicht nochmals ganz klar auf das Evangelium angesprochen zu haben, ihr zu sagen, dass sie sich entscheiden müsse. Wer weiss, wie lange ihr noch Zeit bleibt ... Ich flehe zu Gott, mir zu helfen. Wenn sie nur Jesus als ihren Herrn und Heiland erkennen und annehmen darf!

Verwirrt stehe ich ein paar Tage später wieder auf der Palliativstation: In Monas Bett liegt jemand anderer. Sie hat vergessen, mir mitzuteilen, dass sie in häusliche Pflege entlassen worden ist. Unverzüglich mache ich mich auf den Weg. Bei ihr angekommen, verbindet gerade eine Bekannte die offenen Stellen an ihren Beinen. Fragen bezüglich des neuen Handys, Wäsche, Einkauf usw. werden besprochen, denn die 24-Stunden-Pflegerin tritt erst übermorgen ihren Dienst an. Gewiss, alles wichtige Dinge, die geklärt werden müssen. Trotzdem bin ich enttäuscht, ich wollte so gerne noch einmal in aller Ruhe mit Mona über Jesus reden ...

Nach dem Abendessen kündigt sich die nächste Freundin an. Sie begrüsst Mona, schaut mich fragend an. «Kennen wir uns nicht?» Schnell stellt sich heraus: Vor zehn Jahren sind Ines und ich uns in einer Freikirche begegnet. Mein Herz hüpft und jubelt. Wie gut ist Gott! Just in dem Moment stellt er mir eine andere gläubige Frau zur Seite! Offensichtlich hat er schon viel weiter geplant! Davon sind wir zwei Frauen gleichermassen begeistert. Freimütig bezeugen wir unseren Glauben und beten für Mona. Sie geniesst es, bedankt sich und sagt, dass ihre Muskelanspannungen mit unseren Gebeten nachgelassen haben.

(Artikelauszug aus ethos 2/2017)