Das Handyspiel Pokémon Go hat auch bei uns einen regelrechten Hype ausgelöst. Menschen irren mit Handys vor dem Gesicht durch die Gegend, um kleine Monster zu fangen. Ein bewegungs- und kontaktförderndes Spiel für Junge?
Hans-Werner Deppe
18. November 2016

Pokémon Go ist seit einiger Zeit das mit Abstand beliebteste Video-Spiel bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Allein in den USA haben sich bisher über 21 Millionen Nutzer Pokémon Go installiert – innerhalb von nicht einmal einem Monat!


Wie funktioniert das Spiel?

Pokémon Go ist ein Spiel für Smartphones und Tablets. Es wurde vom amerikanischen Softwareunternehmen Nintendo entwickelt. Das Spiel funktioniert «positionsbezogen», das heisst, um das digitale Spiel auszuüben, muss man sich an reale Orte begeben. Durch GPS und Mobilfunkortung wird der Standort des Spielers ausgemacht. Nun gilt es, im Freien, bei Sehenswürdigkeiten, Wahrzeichen und auffälligen Orten besondere Figuren und Ausrüstungen einzusammeln. Es reicht also nicht aus, nur virtuell tätig zu sein, sondern man muss mit dem Handy nach draussen gehen und sogenannte Pokémons «einfangen», indem man die Stelle aufsucht, wo sie per Zufallsverfahren virtuell herumstehen oder -laufen. Der Begriff «Pokémon» steht für «Pocket Monster» oder «Taschendämonen», wobei das englische Wort poke auch eine sexuelle Konnotation hat wie etwa «bumsen». Die monsterartigen Fantasiewesen tragen Namen wie Pikatchu, Ketchum oder Hypno.

Als Erstes muss man sich in diesem Video-Spiel eine Trainer-Figur, einen Avatar, in Form einer menschenähnlichen Figur zurechtbasteln. Nun marschiert man los, beispielsweise mit dem Friedhof als Ziel. Da Pokémon Go mit GPS-Ortung arbeitet, wird das Handy zum «Navi». Anhand einer Karte wird exakt angezeigt, wo man sich gerade befindet. Plötzlich taucht auf der Karte ein versteckter Geist, ein Pokémon, auf. Dieses wird dort durch das Spielsystem via Satellit platziert. Wenn man es fangen möchte, muss man sich dem Pokémon nähern und es auf dem eigenen Handy mit einem Ball abschies-sen. Trifft man, gehört ein weiteres Pokémon in die persönliche Sammlung. Nun soll man sich die übernatürlichen Fähigkeiten der gefundenen Geistwesen zunutze machen und weiterentwickeln (trainieren), um andere zu besiegen. Ziel ist, möglichst viele virtuelle Monster einzufangen.


Hintergründe

Der Pokémon-Erfinder Satoshi Tajiri war u. a. inspiriert vom Animismus – dem heidnischen Glauben an eine von Geistern bewohnte Natur. Der japanische Shintoismus lehrt, die Welt sei von Tausenden «Kami» (Götter-Geistern) bewohnt. Wenn Menschen diesen Geistern Aufmerksamkeit, Nahrung und Weihrauch darbringen, verleihen die Kami Glück und Erfolg, im anderen Fall hat man mit Rache und Feindseligkeit zu rechnen. Die überaus populäre japanische Kawaii-(«Niedlichkeits»-)Kultur beruht auf dieser animistischen Vorstellung, dass sich in den Dingen der materiellen Welt überall Geister verbergen.

Das animistisch-magische Denken hinter Pokémon kommt auch in dem Pokémon-Titelsong zum Ausdruck: «Ich werde durch das Land reisen / überall suchen / um jeden Pokémon zu verstehen / und ihre innere Kraft / Pokémon! – Schnapp’ sie dir alle ...» Wegen dieser Vorstellung der innenwohnenden Kraft wurden die Sammelkarten auch «Energie-Karten» genannt.


Spiel als Chance, Menschen auf Jesus hinzuweisen?

Manche sehen im aktuellen Pokémon-Go-Hype eine missionarische Chance. Christliche Gemeinden und Kirchen sollen als Suchorte («Pokéstops») oder Kampfstätten («Arenen») für das Spiel dienen oder Aufladestationen für Handys bieten. Dadurch würden Menschen bewegt werden, die Gemeinde oder Kirche aufzusuchen. Die soziale Komponente des Spiels helfe beim Kontakteknüpfen. Doch angesichts des bedenklichen Hintergrunds von Pokémon klingt das etwa so, als wolle man mithilfe von Tarot-Karten evangelisieren.

Dass die Pokémon-Go-Entwickler die Pokémons in ihrer virtuellen, der realen Welt übergestülpten Welt oft an Kirchen positionieren und dort Pokéstops einrichten, bedeutet nicht, dass sie dem Christentum gegenüber freundlich eingestellt sind. Könnte es nicht vielmehr sein, dass sie gerade christliche Jugendliche für ihr okkult-magisches Denken gewinnen wollen?

(Artikelauszug aus ethos 11/2016)