Markus, engagierter Christ, «rutscht» ab in die Pornografie; Ernst und Barbara konsumieren Pornos seit dem Teenageralter und finden später zum Glauben an Jesus Christus. Zwei Geschichten, eine Not und die Frage: Wie kommt es dazu? Ein Interview mit Barbara und Ernst.
Daniela Wagner-Schwengeler
26. September 2016

Was seht ihr als wirklichen Grund, der euch in die Pornosucht abrutschen liess? Auch du, Ernst, warst ja jahrelang davon bestimmt ...
Ernst: Als Kind kam ich in eine liebe Pflegefamilie und später, im Teenageralter, versuchte ich diese Leere der Wertlosigkeit (meine eigenen Eltern hatten mich weggegeben) im Herzen mit Pornografie zu füllen. Es war für mich normal, ich dachte dabei an nichts Böses.

Barbara: Als ich ein Teenager war, verlor ich meine Mutter durch einen Unfall, und diese Leere der Traurigkeit und Einsamkeit im Herzen versuchte ich mit Pornografie zu füllen. Ich wuchs mit den Teenagerzeitschriften «Bravo», «Girl!» und «Popcorn» auf. In diesen Magazinen war die – nicht gottgewollte – Sexualität allgegenwärtig. Für mich war das normal, ich kannte nichts anderes.


Sind diese Gründe bei allen «Porno-Konsumenten» mehr oder weniger die gleichen?
Beide: Wir denken ja. Porno-Konsumenten haben – ob bewusst oder nicht – irgendeine Leere im Herzen. Wenn man auf Pornografie stösst, besteht die Gefahr, dass man diese Leere damit füllt, statt mit Gottes Liebe. Für einen kurzen Moment kann man alles um sich herum vergessen, was als Erleichterung erlebt wird. Aber der Stress, die Einsamkeit, die Probleme, die Konflikte sind trotzdem immer noch da und verschwinden mit Pornografie nicht einfach.


Ihr habt euch geschämt, jemandem von eurer Sucht zu erzählen. Das Thema ist also mit Scham behaftet, obwohl heute der Pornokonsum vermehrt als normal, erstrebenswert und cool dargestellt wird.
Ernst: Gott hat ein Gewissen in uns hineingelegt und nach der Bibel weiss jeder Mensch, was Gut und Böse ist. Wie beim Lügen, Stehlen, bei Neid oder Habgier meldet sich anfänglich das Gewissen. Doch wenn wir Gottes Reden dauernd bewusst ignorieren, stumpfen wir ab und gewöhnen uns an das Böse. Auch wenn Pornografie in der heutigen Gesellschaft nicht mehr als Sünde gilt, bleibt sie es trotzdem. Sünde heisst «Zielverfehlung», etwas wird «zweckentfremdet». Pornografie verunehrt den Schöpfer, weil sie seinen Absichten widerspricht. Er hat Gedanken des Friedens über seine Kinder, möchte ihnen wahre Freude schenken und sie vor Schaden bewahren. Wenn wir das nur begreifen würden ... Das Bekennen von Schuld vor Gott und den Menschen macht frei, denn Sünde trennt in jedem Fall. Das durften wir beide erleben.


Viele Betroffene glauben, dass Pornografie kein Problem mehr darstellt, sobald sie verheiratet sind. Was meint ihr dazu?
Beide: Wenn du dein Problem mit Pornografie nicht vor deiner Ehe aufgearbeitet hast, wirst du sie mit in die Ehe nehmen. Verheiratet zu sein, verhindert nicht, dass man sich mit Pornografie beschäftigt.


Wie verändert Pornografie die Sexualität und was geschieht, wenn ein Partner diese Sicht mit in eine Paarbeziehung bringt?
Beide: Pornografie ist eine Welt der Lüge, denn Sexualität ist viel mehr als der reine Sexualakt. Sexualität fängt schon am frühen Morgen mit einem Lächeln, einer Umarmung, einem lieben Wort an. Liebe meint den andern, will ihm Gutes tun. In der Pornografie wird der Partner auf ein Sexobjekt reduziert, und dies hat nichts mit Liebe zu tun und zieht Verletzungen nach sich.


Wie habt ihr die Versklavung durch die Pornosucht erlebt? Viele denken ja, das kann nicht so schlimm sein ...
Barbara: Es ging so weit, dass ich keinen Tag mehr ohne Pornografie leben konnte. Ständig kreisten meine Gedanken darum. Ich konnte nicht mehr klar denken und beteiligte mich selten an Gesprächen.

Ernst: Meine Identität in Jesus und die Beziehung zu ihm war gestört, und auch ich hatte Mühe, klar denken zu können. Man stumpft ab, die Wahrnehmung ganz alltäglicher Dinge rückt in den Hintergrund. Zudem war ich kaum fähig, mit meiner Frau Sexualität zu leben. Meine Gedanken waren nicht bei ihr, sondern gedanklich drehte ich einen Pornofilm. Dass wir heute beide beim intimen Zusammensein keine solchen Bilder mehr im Kopf haben, treibt uns Tränen der Freude und Dankbarkeit Gott gegenüber in die Augen.

Unser Leben ohne Pornografie hat sich verändert. Wir können uns wieder an einer kleinen Blume am Strassenrand, über verschiedenste Fische im Aquarium freuen. Unser Leben ist farbiger und bunter geworden. Pornografie nahm uns die Sicht für das Detail, für das Schöne auf dieser Welt und hat uns und unser Leben öde gemacht. Inzwischen haben wir einander vergeben und sind unsere Sexualität neu am Entdecken. Obwohl wir beide in der Sucht gefangen waren, verletzte uns das Tun des andern und Hoffnungslosigkeit begleitete uns ständig. Pornografie ist Gift!

(Interviewauszug aus ethos 09/2016)