Schritte mit Potenzial
Michael Happle
14. November 2025

Vor Kurzem habe ich mit 66 Jahren vollends die Verantwortung für ein Gemeinde-Netzwerk an die jüngere Generation übergeben. In diesem Zusammenhang machte ich mir Gedanken, wie dieser Prozess gelingen kann. Es ist herausfordernd, die vielen Jahre der Erfahrung so an Jüngere weiterzugeben, dass sie sich nicht bevormundet fühlen, sondern motiviert und unterstützt werden.

Es macht einen Unterschied, ob jemand ein Missionswerk leitet, Gemeindeältester ist, einen Verlag führt oder einen Betrieb – ob haupt- oder ehrenamtlich. Die Ausgangslagen sind vielfältig. Und dennoch gibt es Prinzipien, die übertragbar sind.

In 1. Timotheus 3,1 heisst es: «Wenn jemand ein Ältestenamt begehrt, so begehrt er ein köstliches Werk.» Oft wurde ich gefragt, ob das wirklich stimme. Ich kann nur sagen: Ich durfte 37 Jahre lang dieses Amt ausüben und es war die grösste Ehre und Freude meines Lebens, meine ganze Leidenschaft für das einzusetzen, was dem Herrn am wertvollsten ist: seine Gemeinde.

Gibt es eine nächste Generation, die willig ist, Verantwortung zu übernehmen, ist das ein gutes Zeichen und Anlass zur Freude und Dankbarkeit. Wenn ein Hunger nach Gottes Wort da ist, ein Verlangen, es zu studieren und damit zu dienen. Ich sehe es als eine wunderbare Aufgabe für uns Ältere, den Jüngeren Jesus liebzumachen und eine Begeisterung für das Reich Gottes zu wecken – ein grosses Vorrecht. Die Bibel verschweigt nicht, dass dies auch bedeutet, um Jesu Namen willen zu leiden, psychisch wie physisch.

Jede Generation ist anders, das war schon immer so und wird auch immer so sein. Sie wächst unter anderen Bedingungen auf, bringt andere Persönlichkeiten, Perspektiven, Begabungen und oft auch einen anderen Auftrag mit. Mose führte das Volk aus Ägypten, Josua eroberte das verheissene Land. David war der Kämpfer, Salomo der Tempelbauer. Paulus war der Pionier, Timotheus eher der Hirte. Elia war ein Mann des Donners, Elisa ein Seelsorger. Menschen, die nach uns kommen, sind anders – und das ist gut so.

Kein Ballast!

«Lass uns an den Jordan (den wichtigen Ort für Israels Geschichte, Anm.) gehen», war der erste Impuls, als die junge Ge­ne­ration um Elia neu bauen wollte (2. Kön. 6). Ich bin überzeugt: Jede Gemeinde, jedes Werk hat seine Geschichte, seine Prägung und seine spezifische Berufung. Junge Menschen sollten diese Geschichte kennen, nicht um sie zu wiederholen, sondern um die bleibenden Prinzipien daraus zu erkennen. Das Evangelium bleibt das Zentrum, doch die Ausgestaltung kann sich unterscheiden. Wichtig ist, dass das Erbe bewusst aufgenommen wird – nicht als Ballast, sondern als Fundament.

Einst überrumpelte mich ein älterer Bruder mit der Frage, wie alt ich sei. «Vierzig», antwortete ich. «Du bist nicht mehr jung, aber auch noch nicht alt. Ein ganz wichtiges Alter: Sei ein Brückenbauer zwischen den Generationen!» Diese Aufforderung brannte sich tief in mir ein. Ja, genau das ist unsere Aufgabe: Brücken bauen. Aus der Zusammenarbeit und dem Miteinander von Alt und Jung gelingt eine gute Nachfolge. Kennen wir die Mitarbeiter, so kennen wir ihre Gaben, Schwächen und ihre Herzenshaltung (siehe Paulus und Timotheus).

Manchmal blockieren Ältere die Initiativen der Jüngeren – nicht so Elisa. Er sagt nicht: «Was wollt ihr schon Neues bauen? Ihr habt doch keine Ahnung!» – sondern gibt ihnen grünes Licht: «Geht hin.» Die Prophetenjünger bindet er nicht an sich, sondern an den Herrn. Dieses Vertrauen gibt ihnen Freiraum zu handeln.

Die Jungen ihrerseits lassen ihren Lehrer nicht aussen vor. Sie erkennen den Wert der Erfahrung Elisas und die Notwendigkeit geistlicher Begleitung. Jeder bringt sich ein und übernimmt seinen Teil der Verantwortung – das gefällt mir. Und genau dieses Prinzip spiegelt sich auch in 1. Korinther 12 wider: Jeder soll seine Gabe zum gemeinsamen Nutzen einbringen. Mir scheint, die junge Generation ist eher Teamarbeit gewohnt. In meiner waren viele als Einzelkämpfer unterwegs. 

Nägel mit Köpfen machen

Wann ist der richtige Zeitpunkt, Leitungsverantwortung abzugeben? Bei mir begannen die Überlegungen mit 58. Ich betete viel darüber und las im Wort Gottes – eine segensreiche Zeit. 

Je älter man wird, desto schwerer fällt das Loslassen. Dies erfordert Demut und geistliche Beweglichkeit.

Lesen Sie den ganzen Artikel in ethos 06/2025