In vielen christlichen Gemeinden ist die gegenseitige biblische Seelsorge kaum bekannt – und wird erst recht selten ausgeübt.
Dr. Wolfgang Vreemann
21. März 2021

Wie stellen Sie sich einen Seelsorger vor? Den «Fachmann», der anderen Menschen seelsorgerlichen Beistand anbietet?

In jungen Jahren hatte ich einen schwarz gekleideten Pfarrer oder Priester vor Augen, der gütig lächelnd hinter seinem Schreibtisch oder in seinem gros­sen Sessel thront, und – mit umfangreicher Ausbildung, Lebenserfahrung und Menschenkenntnis bewaffnet – dem ihm gegenüber hockenden hilflosen «Schäfchen seiner Herde» Ratschläge, Trost und Hilfe erteilt. Solch eine Autoritätsperson musste zumindest Theologie, am besten auch noch Psychologie oder ein ähnliches Fach studiert haben – sonst könnte er ja nicht «Seelsorger» sein.

Viele haben diese Vorstellung, dass Seelsorge ein besonderes Fachgebiet ist und nur einigen wenigen Spezialisten vorbehalten ist.

Wer ist ein Seelsorger?

In der Bibel findet man dieses Berufsbild allerdings nicht. Überhaupt kommt der Begriff «Seelsorge» in den alten Übersetzungen gar nicht vor. Dennoch ist es ein durchaus biblisches, vor allem neutestamentliches Thema, nur mit anderen Vokabeln belegt. Um das zu verstehen, müssen wir uns zunächst von dem Bild des «alten Seelsorgers» verabschieden und uns dem Neuen Testament zuwenden, z. B. wenn der Apostel Paulus an die Römer schreibt:

«Wir, die Starken, haben die Pflicht, die Schwächen der Schwachen zu tragen, anstatt selbstgefällig nur an uns zu denken. Jeder von uns soll auf den anderen Rücksicht nehmen, damit es ihm gut geht und er gefördert wird ... Deshalb nehmt euch gegenseitig an, wie auch Christus euch angenommen hat, damit Gott geehrt wird!»  (Röm. 15, 1–2,7 NeÜ).

Und wenn Paulus die Gemeinde mit einem lebenden Organismus vergleicht, schreibt er vom «Füreinander-Sorgen»:

«Gott hat den Leib so zusammengefügt, dass die geringeren Teile besonders geehrt werden, denn er wollte keine Spaltung im Körper. Alle Glieder sollen einträchtig für­einander sorgen» (1. Kor. 12,24–25).

Was ist die allgemeine Seelsorge oder «Basis-Seelsorge»?

Seelsorge kann so vieles sein. Ein kurzer Telefon­anruf, eine anteilnehmende Bemerkung, ein aufmunterndes Wort, eine herzliche Umarmung, das Hilfsangebot beim Umzug. Diese Basis-Seelsorge ist an keinen Raum und keinen festen Rahmen gebunden; sie findet im Foyer oder auf dem Vorplatz des Gemeinde­hauses statt, genauso wie auf dem Sportplatz, beim Spaziergang oder während eines gemeinsamen Abend­essens. Im Wohn- oder Arbeitszimmer, beim Gespräch unter vier Augen, ergeben sich natürlich die besten Gelegenheiten. Seelsorge ist eben nicht nur das hochspezialisierte Fachgebiet, das allein gut ausgebildete Fachleute ausüben können. Sicher, es gibt ganz besondere Notfälle seelischer Belastungen (und Erkrankungen), für deren Begleitung und Hilfe gute Fachkenntnisse nötig sind. Darum geht es jedoch nicht bei unseren Überlegungen zur Basis-Seelsorge.

Lesen Sie den ganzen Artikel in ethos 03/2021.