Was sich bewährt und weshalb die Ehe von Katja* und Simon* heute tragfähiger ist denn je.
Daniela Wagner
1. November 2019

Simon, du bist etwas abgeschottet aufgewachsen, deine Eltern haben dich nicht aufgeklärt und über Sexualität wurde nicht geredet. Könnte dies der Grund gewesen sein, dass du anfingst, Pornografie zu konsumieren?

Simon: Bereits beim Sündenfall hat der Mensch versucht, jede Schuld von sich zu weisen. Ich würde niemals meine Eltern, die versucht haben, mich auf ihre Art zu schützen, für meine frühere Sucht verantwortlich machen. Der Reiz wird in jedem pubertierenden Jugendlichen geweckt.

Die Sünde wurde mir schmackhaft gemacht und ich habe Möglichkeiten gefunden, sie im Geheimen auszuleben. Medien und ihr Konsum sind heute fast unkontrollierbar nutzbar. Aus meiner Sicht lassen Eltern und auch Gemeinden gerade dieses Thema oft unbesetzt. Der Teufel hat somit ein leichtes Spiel. Die erste Reaktion nach der Sünde war Scham. Der Mensch versteckte sich. Ich kann heute schwer sagen, ob mein Leben anders verlaufen wäre. Eltern hätten aber die Möglichkeit, einen Vertrauensraum zu schaffen und präventiv Massnahmen zu ergreifen, indem offen mit der Thematik umgegangen wird.

Freizügige Szenen in Spielfilmen boten Stoff für deine Gedankenwelt. Weshalb denkst du, flüchtet man sich da hinein?

In meinem Fall war es definitiv der sexuelle Reiz. Es war einfach die nächstmögliche Steigerung. Hierzu muss man sagen, dass jede Richtung der Pornografie irgendwann nicht mehr befriedigt und man immer tiefer in ihren Bann gezogen wird.

Rückzug, Isolation und das Wort Sucht tauchen in deinem Bericht auf. Weshalb macht Pornografie einsam, süchtig?

Eine gute Frage ... letzten Endes dient man sich selbst. Es dreht sich alles darum, dass ich das, was ich möchte, zu dem Zeitpunkt bekomme, wann ich es möchte. Um zur Befriedigung zu gelangen, benötige ich keinen anderen Menschen. Diese Befriedigung hält aber nur kurz und schon bald ist das Verlangen nach dem kurzen Glückgefühl wieder unerträglich. Man ist süchtig danach. Mein Rückzug von Freunden, Familie, ja sogar von meiner Ehefrau, hatte damit zu tun, dass ich mich selbst für mein Tun verachtete.

Du hast unzählige Male versucht, die Sucht loszuwerden, und hast auch Schritte unternommen. Kannst du in der Rückschau formulieren, weshalb diese Versuche scheiterten?

Der Grund für das Scheitern ist auch hier wieder die Selbstsucht. Ich habe versucht, es mit Selbstdisziplin in den Griff zu bekommen, also aus eigener Kraft. Doch da war nichts, was ich dem aufkeimenden Verlangen entgegensetzen konnte. Meine eigene Kraft war nicht ausreichend, nicht ausdauernd.  

Die Gewissensbisse nahmen zu in der Zeit, da du die Gemeinde besuchtest. Schlafstörungen ... alles wurde noch schlimmer. War dir klar, weshalb?

Durchaus. In mir tobte ein Kampf, denn Bekennen kostet Mut und Überwindung. In dieser Zeit sträubte sich alles in mir, die Sünde offenbar zu machen.

«Ein von Gott befreiter Mensch zu sein, das war mein innigster Wunsch. Ich wusste jedoch, dass dazu ein ehrliches Bekenntnis nötig gewesen wäre. Ich wollte ihn, um mein Problem zu lösen – mehr nicht …» Liegt der Schlüssel, frei zu werden, im Bekenntnis?

Ich kann hier nur von meiner persönlichen Erfahrung sprechen. Mir war es unmöglich, aus eigener Kraft davon loszukommen. Erst mit dem Bekennen der Schuld, vor Gott und den Menschen, die ich damit verletzt hatte, bekam ich die Kraft, den Teufelskreis zu durchbrechen.

Das Offenbarmachen der Sünde ist nur der erste Schritt, ohne Bekenntnis ist keine Vergebung möglich. Mit der Entscheidung, die Sünde zu benennen, sie vor Gott zu bekennen, habe ich auch die Entscheidung getroffen, nicht mehr mir selbst zu dienen, sondern Ihm. Meine Gesinnung und mein Denken wurden verändert.

«... Freiheit, Zuflucht und Vergebung – schenkte Er mir in diesem Augenblick – und jeden Tag aufs Neue.» Bist du nie mehr gefallen? Dein Körper hat sicher weiter nach dieser Suchtbefriedigung verlangt, oder?

Es wäre ein tolles Leben, wenn mit der Umkehr zu Gott keine Angriffe des Teufels mehr zu erwarten wären. Das Gegenteil ist der Fall. Auch als Kind Gottes habe ich nach wie vor Kämpfe: erotische Werbung, die Zugangsdaten zu alten Accounts oder Internetadressen, die dir plötzlich wieder in den Sinn kommen ...

Und ja, ich habe auch Niederlagen erlebt. Aber anders als vorher, wo ich mein Gewissen mit guten Vorsätzen beruhigt habe, bin ich zurückgegangen zum Thron der Gnade.   

Wie hast du gekämpft? Was war denn nun anders als vorher, als deine Kämpfe immer in Niederlagen endeten?

Mit den Mitteln, die Gott uns gegeben hat: die Zuflucht zu ihm im Gebet, sein Wort und den Heiligen Geist. Ich habe Gott gebeten, dass er mich blind macht für diese Bilder. Die Beschäftigung mit dem Wort Gottes raubt dem Teufel den Raum für die Versuchung. Anders als vorher wollte ich nicht mehr sündigen, weil ich Gott dienen wollte. Meine Niederlagen sind auf die Zeiten zurückzuführen, wo ich die Beziehung zu Gott, das Gebet und das Lesen seines Wortes vernachlässigt habe.  

Kampf auf dem Gebiet bis ans Lebensende? Was denkst du?

Definitiv Kampf. Die sexuelle Reinheit ist ein Terrain, auf dem der Teufel mich nach wie vor am meisten versucht. Wenn auch nicht mehr in der direkten Konfrontation mit Pornografie.

Es bleiben immer nur zwei Möglichkeiten: für oder gegen die Sünde. Entscheide ich mich dafür, mir selbst zu dienen, oder möchte ich dem dienen, der mich befreit, ja den Höchstpreis bezahlt hat? Ich gehöre ihm und die Liebe des heiligen Gottes gilt mir – diese Tatsache zu begreifen, ist schwer. Sie macht mich aber zutiefst dankbar. Aus was für einer Selbstgebundenheit hat er mich erlöst!

Pornosucht – ein sträflich vernachlässigtes Thema in den christlichen Gemeinden?

Ich befürchte, dass es eine sehr hohe Dunkelziffer gibt. In der Gemeinde, in der ich aufwuchs, war es nicht nur ein vernachlässigtes, sondern überhaupt kein Thema. Eine zu frühe Aufklärung gibt es meiner Meinung nach nicht. Pornografie begegnet uns in unterschiedlichster Art im Alltag und ist nicht immer auf Anhieb als solche erkennbar. Bei der Nutzung des Internets (Werbung) oder sozialer Plattformen, wie beispielsweise Instagram, begegnen uns immer wieder freizügige Bilder.

Was können Verantwortliche, Jugendleiter etc. tun, um junge Menschen für dieses Thema zu sensibilisieren?

In allererster Linie zu erkennen, dass dieses Thema aktuell ist und darüber geredet werden muss. Wichtig ist, die Hintergründe zu erläutern: Was ist Pornografie überhaupt, wo fängt sie an? Wo liegen die Gefahren, wo begegnet sie uns? Was wird durch den Konsum in dir zerstört? Wovon wirst du vom Teufel beraubt?

Lesen Sie das ganze Interview in ethos 11/2019.

Simon* und seine Frau Katja* haben sich dazu entschieden, ein Pseudonym zu verwenden, um die Familie zu schützen. Möchte aber jemand Kontakt mit Simon aufnehmen, leitet die Redaktion die Anfrage gerne weiter.