Wie können Paare den Übergang zur Elternschaft gut meistern?
Daniela Wagner
2. Oktober 2020

Jessica und Janis, seit gut einem Jahr seid ihr Eltern eines kleinen Sohnes und erwartet demnächst euer zweites Kind. Wie hat sich eure Ehe durch diesen Umstand verändert?

Janis: Beide von uns haben jetzt eine neue Rolle als «Mama» und «Papa», und daran muss man sich irgendwie erst gewöhnen. Ehrlich gesagt, dachten wir am Anfang, unser Leben würde mehr oder weniger wie bisher weiterlaufen und Jessie würde halt bei der Arbeit ein Jahr Pause machen. Wir sind beide wirklich überrascht, wie Gott uns in diesem Punkt, krass gesagt, schon «überführt» und uns herausgefordert hat, unsere neuen Rollen – vor allem für Jessie als Vollzeitmama – anzunehmen und von ganzem Herzen auszugestalten. Und damit meine ich nicht, die «Super-Mama» oder der «Super-Papa» zu sein, die ganz in ihrer Eltern-Welt versinken. Für mich heisst das konkret, mir bewusst zu sein, welche Verantwortung Gott mir bzw. uns da anvertraut hat, und diese Verantwortung auch aktiv wahrzunehmen. Eine gesunde Einstellung zur Arbeit, der Umgang mit Finanzen, biblische Erziehung – all das hat für mich eine ganz neue Bedeutung bekommen.

Was für neue Seiten habt ihr aneinander kennengelernt?

Janis: Ich konnte mir nur schwer vorstellen, wie meine kreative, immer neue Projekte startende, quirlige, voranpreschende Frau, die ihre Arbeit liebt, mal zu einer Hausfrau und Mutter werden würde.

Jessica: Von unserem Naturell her sind wir wohl nicht so die geborenen Eltern. Wir konnten uns selbst nicht so genau vorstellen, wie das mal sein würde. Wenn wir könnten, würden wir jeden Monat in ein anderes Land reisen, wir waren – nein sind! – extrem spontan und lieben die späten Abendstunden mit Freunden. Wir lieben es zu lachen und machen uns gern über unsere Freunde und uns selbst lustig und sind gern den ganzen Tag unterwegs. Und trotzdem – Gott hat in alle von uns ein bisschen «Mama» oder «Papa» gesteckt, sonst hätte er uns nicht aufgerufen, Kinder zu bekommen. Und so haben wir schon ganz neue Seiten aneinander kennengelernt und sind immer noch dabei, einen Weg zwischen unserem ungebundenen Lebensstil von vorher und unseren neuen Rollen zu finden.

Janis: Um auf die Frage zurückzukommen: Ich schätze und bewundere dieses hingegebene Mutterherz von Jessie und lerne viel besser zu verstehen, wie Gott sich die Rolle der Frau – als Mutter – und die Rolle des Mannes – als Verantwortungsträger und Versorger – vorgestellt hat. Ihre Hingabe als Mutter berührte mich von Anfang an mega. Gott hat sich schon was gedacht bei den Rollen der Mutter und des Vaters.

Jessica: Ich bin sehr überrascht über Janis’ Geduld, v. a. in stressigen Situationen. In den letzten Jahren hat er eine Geduld und ein Verantwortungsbewusstsein entwickelt, das ich mir vorher nicht hätte vorstellen können und das davor eben so noch nie gefordert war. Ohne mit der Wimper zu zucken, würde ich die beiden Männer einen Tag allein lassen und wissen, dass sie das top meistern. Das hätte ich nicht so erwartet – schliesslich war ich immer die Organisiertere, alles Überblickendere von uns.

Haben sich auch eure Prioritäten verschoben?

Jessica: Auf jeden Fall. Unsere Schwerpunkte sind anders als davor. Nun haben wir ein kleines Wesen «an der Backe», das gefüttert, gewickelt, beruhigt und bespasst werden muss. Damit ist die Aufmerksamkeit automatisch anders verteilt als bisher. Und trotzdem achtete ich sehr darauf, dass mir das, was mir vor der Geburt schon wichtig war, es auch weiterhin ist. So bemühe ich mich, meine bisherigen Freundschaften aufrechtzuerhalten – zu Mama-Freundinnen und ganz besonders auch zu Nicht-Mama-Freundinnen, um nicht in meiner Mama-Welt zu versinken. Auch unsere Dienste in der Gemeinde nehmen wir – so wie die Kraft und Kapazität eben zur Verfügung steht – genauso weiter wie bisher wahr, und ich versuche, meine neuen Möglichkeiten in Kinderspieltreffs, Rückbildungskursen usw. zu nutzen. Wann sonst hat man plötzlich wieder eine neue Ladung an Menschen um sich herum, mit denen man vorher nie zu tun hatte? Eine geniale Gelegenheit, Zeugnis zu geben und zu sein!

Janis: Mir waren zwei Dinge total klar: 1. Ich muss vor allem in dieser Zeit als Papa geistlich «ernährt» sein, und 2. Gemeindearbeit sollte weiterhin eine Priorität bleiben. Folglich überlege ich mir jede Geschäftsreise und zusätzliche Verantwortung im Job zweimal. Mir ist es wichtig, dass ich der Verantwortung in Gemeinde, Familie und Job in Gottes Sinne nachkommen kann.

Eure kinderlosen Freunde fahren übers Wochenende weg, gehen am Abend aus, unternehmen spontan etwas, klettern weiter die Karriereleiter hoch ... Wie geht ihr mit dieser «Einengung» um?

Jessica: Klar verpasst man was, wenn man Kinder hat – wie mit allen Entscheidungen des Lebens! Ich habe mich für Janis entschieden und damit gegen alle anderen Männer. Und gleichzeitig ist genau diese Festlegung die grösste Freiheit und das grösste Geschenk. Wer eine schwere Schwangerschaft und/oder Geburt durchgemacht hat, ist sich wahrscheinlich noch mehr bewusst, was für ein Wunder und Geschenk Gottes ein Kind ist. Mir steht das täglich vor Augen. Mit diesem Grundblick auf das Kind fallen einem gewisse Entbehrungen nicht mehr so schwer.

Ich hatte riesige Angst, mit meinen vielen Freundinnen nicht mehr mithalten zu können und alleine zu Hause zu sitzen, während alle Spass haben. Da hilft mir nur, meine Identität – wie schon in so manchen schweren Kinder- und Teeniezeiten – bei Gott korrigieren zu lassen: Es ist ein Vorrecht, ein Kind haben zu dürfen; viele würden sich diese «Einengung» wünschen; es gibt so viel Grund, dankbar zu sein; die Ruhe ab und zu tut mir selbst wahnsinnig gut usw.

Janis: Ich hab realisiert, dass man in der Kindererziehung einen Dienst für die Ewigkeit tut und Karriere, lange Urlaube etc. vergänglich, oft Mittel zum Zweck und viel Investition in sich selbst sind.

Weshalb wolltet ihr Eltern werden und wie wusstet ihr beide, dass ihr nun bereit seid für diese Herausforderung?

Janis: Wir haben beobachtet, dass es Leute irgendwie gesund zu erhalten scheint, wenn sie Kinder haben. Ich denke, bereit zu sein, Verantwortung für Gottes Reich zu übernehmen, heisst in gewisser Weise auch, für Kinder bereit zu sein. So altmodisch das für viele heutzutage klingen mag – Gott hat uns diesen Auftrag gegeben und sich dabei bestimmt auch was gedacht. Damit war klar: Wenn der Herr uns das aufträgt, dann wird er durch sein Wort und seinen Geist auch alles zur Verfügung stellen, was wir dafür brauchen – ob wir uns so fühlen oder nicht. Daher war für uns immer klar: Wir wünschen uns viele Kinder.

Jessica: Ich weiss noch, dass ich, als ich mein Kind das erste Mal in meinen Armen hielt, nicht grenzenloses Glück und Freude verspürte, sondern der Gedanke kam: Können wir das überhaupt? Wie in aller Welt machen wir das jetzt? Man hat ja keinen blassen Schimmer, wer und was einen da die nächsten Jahrzehnte so erwartet! Das ist schon verrückt. Wieder hilft da nur das Vertrauen in Gott, der alles in seiner Hand hält und uns erfahrungsgemäss meist genau dann ausstattet, wenn wir schon auf dem Weg sind. Das Wort Gottes hat zu diesem Thema so viel zu sagen – es gibt uns immer wieder Mut und weist die Richtung.

Lesen Sie das ganze Interview in ethos 10/2020-